FRAKTALE IN DER AKUPUNKTUR

Die Ordnungsstrukturen, die der Akupunktur zugrunde liegen, waren bis vor wenigen Jahren völlig rätselhaft und unbekannt. Besonders die Wirkungsweise der Sonderformen der Akupunktur konnte nicht erklärt werden. Fraktale haben hier völlig neue Ansätze eröffnet.

Ohrakupunktur

Die Ohrakupunktur war in China seit alters her bekannt und wurde auch zu Therapiezwecken benutzt. Eine exakte Systematisierung erfolgte aber in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in Europa, im speziellen in Frankreich durch Nogier. Dabei zeigte sich, dass sich der gesamte Organismus wie ein verkehrt liegender Embryo im Ohr projiziert. Anhand von über hundert biologisch wirksamen Punkten kann das Ohr durch Stimulation der entsprechenden Zone zu therapeutischen und diagnostischen Zwecken genutzt werden. Es ist augenscheinlich, dass sich im Ohr der gesamte Organismus als Fraktal – also selbstähnlich -  wiederfindet. Uns war bewusst: Wenn der Ohrakupunktur fraktale Ordnungsprinzipien zugrunde liegen, müssten wir ähnliche fraktale Projektionen auch an anderen Stellen der Körperoberfläche finden.

Fußreflexzonen

Die derzeit einzig plausible Erklärung für die Wirkung der Fußreflexzonenmassage ist, dass auch hier ein selbstähnliches fraktales Projektionsmuster zugrunde liegt. Wir haben allerdings viele empirische Hinweise dafür, dass sich hier nicht innere Organe im westlichen Sinne projizieren, sondern die Organsysteme, wie wir sie aus der TCM kennen. Die Fußreflexzone der Niere entspricht also nicht der Projektion der Niere im westlichen Sinne, sondern vielmehr dem Organsystem Niere der TCM. Dies verändert die Bedeutung der einzelnen Reflexzonen völlig, da den einzelnen Organsystemen der TCM (die leider aufgrund mangelhafter Übersetzung vor Jahrzehnten dieselben Namen tragen wie Organe der westlichen Medizin) zum Teil völlig andere bzw. erweiterte Aufgaben zukommen. Um diagnostischen Nutzen aus diesen Fußreflexzonen zu ziehen, ist es unbedingt notwendig, die Standpunkte der TCM zu kennen.

Yamamoto-Neue-Schädelakupunktur (YNSA)

Die YNSA  stellt ein weiteres hochinteressantes Therapiekonzept dar, dessen Grundlage ebenfalls fraktale Ordnungsprinzipien sind. Hier werden vier Fraktale zu einem diagnostisch-therapeutischen Konzept verbunden. Einmal projiziert sich der gesamte menschliche Organismus im Bereich der vorderen Haaransatzlinie bzw. der Stirn. Hier ist eine exakte Zuordnung verschiedener Körperregionen zu den jeweiligen Projektionszonen - Kopf, Stamm sowie Extremitäten – möglich. Die anderen drei Fraktale entsprechen Projektionszonen von Organsystemen, wie wir sie aus der TCM kennen. Im Bereich der Bauchdeckenmuskulatur finden sich zwölf Projektionszonen, wobei es bei pathologischen Veränderungen im jeweils zugeordneten Organsystem zu Verquellungen und Verhärtungen der einzelnen Zone in der Bauchmuskulatur sowie zu deutlicher Druckschmerzhaftigkeit in diesem Bereich kommt. Ähnlich verhält es sich beim dritten Fraktal, den Projektionszonen der chinesischen Organsysteme im Bereich des lateralen Halsdreieckes, wo bei pathologischen Veränderungen ebenfalls vermehrte Druckschmerzhaftigkeit und Verquellung auftreten. Diese beiden Fraktale werden zu diagnostischen Zwecken benutzt, um dann in einem weiteren Fraktal die entsprechende Therapie durchzuführen. Dieses liegt im Schläfenbereich und wird bei der YNSA als Areal der Y-Punkte bezeichnet.

Mundakupunktur nach Gleditsch

In der Mundhöhle befinden sich Projektionszonen sämtlicher chinesischer Organsysteme an exakt definierten Arealen (siehe entsprechende Literatur). Die klassische Stimulation dieser fraktalen Projektionszonen erfolgt mittels Injektion eines Lokalanästhetikums. Die einzige praktikable Alternative der Stimulation ist mit dem Low-Level Laser möglich; allerdings muss dabei unbedingt berücksichtigt werden, dass die Schleimhaut das Laserlicht stark reflektiert.

Koreanische Handakupunktur

Die koreanische Handakupunktur wurde erst vor einigen Jahrzehnten entwickelt und ist in Europa erst seit einigen Jahren bekannt. Dabei wurde entdeckt, dass sich der gesamte Organismus in der Hand projiziert. Der Mittelfinger entspricht Kopf, HWS und oberer BWS, die beiden oberen Extremitäten platzieren sich auf Zeige- und Ringfinger, die unteren Extremitäten auf Daumen und kleinem Finger. Der Rest des Körpers projiziert sich auf die Mittelhand. Interessanterweise projizieren sich auch die Meridiansysteme entsprechend dem Verlauf im Körper auf die Dorsal- bzw. die Volarseite der  Hand.

Organ- und Schmerztherapie nach Siener

Ein weites Fraktal wurde vor wenigen Jahren in Deutschland von Rudolf Siener entdeckt. Dabei projiziert sich der Kopf mit der HWS im Bereich des Knies, die BWS auf die Dorsalseite des Unterschenkels, die LWS in den Bereich des Calcaneus. Die inneren Organe liegen im Bereich des Unterschenkels (siehe entsprechende Literatur). Klassischerweise werden die entsprechenden Punkte und Zonen dieses Fraktals mit einem Lokalanästhetikum im Sinne einer therapeutischen Lokalanästhesie gespritzt bzw. stimuliert.

Ein genaueres Eingehen auf die einzelnen Fraktale an dieser Stelle würde den Rahmen sprengen. Um eine exakte Punkt- bzw. Zonensuche für Diagnostik und Therapie zu erlernen, ist es notwendig, sich eingehend mit der Materie zu befassen und zumindest die entsprechende Literatur zu verwenden.

Zusammenfassung

Die Stimulation der einzelnen Punkte bzw. Zonen in all diesen Fraktalen ist auf verschiedene Art und Weise möglich. Eine sehr effektvolle Stimulation erfolgt natürlich in altbewährter Weise mit der Akupunkturnadel; eine sehr einfache Art der Stimulation ist allein durch den Druck z.B. mit einer Sonde möglich. Die wohl eleganteste Form erfolgt mit einem Low-Level-Laser mit einer Ausgangsleistung von 5-20 mW. Die Applikation des Laserlichtes stellt einen elektromagnetischen Reiz dar, der völlig schmerzlos, dafür aber äußerst effektiv ist. Nach unseren mittlerweile fast 20-jährigen Erfahrungen ist das Laserlicht der ideale Stimulus für die biologisch aktiven Punkte an den oben genannten Fraktalen.

Es hat sich gezeigt, dass die einzelnen Fraktale in der Therapie frei kombinierbar sind. Das heißt, dass z. B. am oben genannten Fraktal an der Bauchdecke die entsprechende Diagnostik erfolgt, während über die Punkte der Koreanischen Handakupunktur die entsprechende Störung therapiert werden kann. Dabei ist die therapeutische Wirkung unmittelbar nach der Therapie an der Veränderung des Befundes der Bauchdecke sofort feststellbar. Auch eine Kombination von klassischer chinesischer Körperakupunktur mit den einzelnen fraktalen Systemen ist problemlos möglich und verbessert die therapeutischen Ergebnisse der Akupunktur deutlich. Natürlich ist es auch möglich, Diagnose und Therapie in einem einzigen Fraktal durchzuführen.

Zu den Hauptindikationen, die über diese Fraktale therapiert werden, gehören degenerative Veränderungen und Schmerzsyndrome am gesamten Bewegungsapparat, Migräne, Allergien, funktionelle Schmerzsyndrome des Abdomens, Dysmenorrhöen u.v.m. In einer großangelegten Studie zeigte sich, dass bei der Therapie dieser Beschwerdebilder unter entsprechender Indikationsstellung in 75% - 80% der Fälle eine Besserung bzw. ein Sistieren der  Beschwerden auftritt (Wiesner-Zechmeister, 1996).

Diese neue holistische Sichtweise, die Entdeckung der genannten Fraktale und die sich daraus ergebenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten stellen sicher erst den Anfang einer ungeheuer interessanten Entwicklung in der Medizin dar. Es ist noch nicht abzusehen, welche therapeutischen Möglichkeiten die Erforschung der sogenannten dynamischen Fraktale bringen wird, die hier gar nicht erwähnt wurden. Die Basisforschung im Bereich der Chaostheorie bzw. der fraktalen Geometrie von Organismen sollte vom Gesichtspunkt der Medizin aus in den nächsten Jahren unbedingt intensiviert werden. Daneben muss eine entsprechende Dokumentation der klinischen Möglichkeiten erfolgen.